Auswertung

Amtliches Endergebnis des Bürgerentscheids:

 

84.052 JA-Stimmen (GEGEN den Wiederaufbau der Ulrichskirche) = 76,05 %

26.470 NEIN-Stimmen (FÜR den Wiederaufbau der Ulrichskirche) = 23,95 %

 

 

 

Sie hatten die Wahl - und haben mit 76 % GEGEN den Wiederaufbau der Kirchenkopie gestimmt! Vielen Dank an alle,

die sich für unsere gemeinsame Sache eingesetzt und uns zu diesem überwältigenden Ergebnis verholfen haben!

Dank auch an die, die in den Tagen nach dem Bürgerentscheid noch ihre Hilfe angeboten haben für den Fall, dass zu

gegebener Zeit weitere Maßnahmen zu organisieren sind. Diese wertvollen Kontakte bleiben erhalten, denn es

schimmerte ja in den Aussagen einiger Stadträte und KUK-Anhänger durch, nach einem Jahr einfach neuen Anlauf

nehmen zu wollen. Lesen Sie hierzu die...

 

 

25.03.2011: ... Auswertung des Bürgerentscheids vom 20.03.2011

 

 

1. Wahlergebnis

 

Nach Auskunft der Stadtverwaltung haben sich am 20.03.2011 insgesamt 84.052 Bürger/innen (76,05 %) gegen

den Wiederaufbau der Ulrichskirche ausgesprochen. 26.470 Bürger/innen (23,95 %) waren für den Wiederaufbau.

Die hohe Wahlbeteiligung von mehr als 56 % bestätigt das große Interesse an dem Thema. Dies führte sogar dazu,

dass auch die Beteiligung an der gleichzeitig durchgeführten Landtagswahl 5 % höher liegt als im Landesdurchschnitt.

 

 

2. Rechtliche Qualität des Ergebnisses

 

Nicht nur hat die Mehrheit der Magdeburger/innen sich gegen den Wiederaufbau ausgesprochen, sondern mehr

als 25 % der stimmberechtigten Bürger/innen (etwa 50.000) haben die gestellte Frage: „Sind Sie gegen den

Wiederaufbau der Ulrichskirche“ mit Ja beantwortet. Nach § 26 Abs. 4 S. 1 GO LSA hat damit der Bürgerentscheid die

Wirkung eines Beschlusses des Stadtrates. Er kann innerhalb von einem Jahr nur durch einen neuen Bürgerentscheid

abgeändert werden, § 26 Abs. 4 S. 2 GO LSA.

 

 

3. Inhalt des Bürgerentscheids

 

Die Fragestellung ist dem Bürgerbegehren, das über 16 000 Bürger/innen – davon letztlich über 13.000 gültige

Unterschriften - eingereicht haben, entnommen und wird durch die Begründung des Bürgerbegehrens konkretisiert:

 

„Wir, die unterzeichnenden Magdeburger Bürger/innen, beantragen einen Bürgerentscheid zur Ulrichskirche mit der

Frage:

 

 

Sind Sie gegen den Wiederaufbau der Ulrichskirche?

 

Begründung: Am 24.06.2010 wurde mit Beschluss des Stadtrates der Wiederaufbau der Ulrichskirche begrüßt. Wir,

die Unterzeichner, halten Sinn und Zweck des Aufbaus der Kopie einer Kirche für äußerst fragwürdig und lehnen den

Wiederaufbau der Ulrichskirche über unsere Köpfe hinweg ab. Wir Bürger/innen Magdeburgs wollen in einer

Angelegenheit, die die Innenstadt für hunderte von Jahren prägen wird, mitbestimmen. - Wir fordern einen

Bürgerentscheid zur Ulrichskirche!“

 

 

Mit dem Bürgerbegehren wird nicht allein die Grundsatzfrage zum Wiederaufbau gestellt, sondern es wird Bezug

genommen zum Beschluss des Stadtrates vom 24.06.2010 (Antrag A0055/10), der am 30.07.2010 im Amtsblatt

veröffentlicht wurde. Der Bürgerentscheid hebt diesen Stadtratsbeschluss auf. Es handelt sich um einen

kassatorischen Bürgerentscheid. Dies hatte im Übrigen auch zur Konsequenz, dass die Voraussetzung für das

Bürgerbegehren, das Einreichen des Antrages mit über 10.000 Unterschriften innerhalb von sechs Wochen, also

bis zum 10.09.2010, nach § 25 Abs. 2 S. 5 GO LSA vorliegen musste.

 

Somit ist der Stadtratsbeschluss, der im Wortlaut nachfolgend wiedergegeben ist, aufgehoben:

 

„Der Stadtrat hat auf Grund des Antrags A0055/10 beschlossen:

 

1. Die Landeshauptstadt Magdeburg begrüßt das Engagement des Kuratoriums für den ohne öffentliche Mittel,

    d.h. eigenfinanzierten Wiederaufbau der Ulrichskirche am ursprünglichen Standort.

 

2. Die Landeshauptstadt verpflichtet sich, für dieses Vorhaben das entsprechende Grundstück bis zum 31.12.2020

    vorzuhalten und nicht anderweitig zu bebauen.

 

3. Bei Vorliegen eines tragfähigen Finanzierungskonzeptes unter Vorlage insbesondere von Barmittelnachweisen,

    Bürgschaften, Patronatserklärungen u. a. und eines nachhaltigen Nutzungskonzeptes verpflichtet sich die Stadt,

    das notwendige Bauleitplanverfahren im erforderlichen Zeitrahmen einzuleiten. Die zeitgerechte Bereitstellung

    des Grundstückes für den Wiederaufbau nach Vorlage dieser Konzepte wird in Aussicht gestellt.

 

4. Um den Bürgerinnen und Bürgern eine räumliche Vorstellung der Flächeninanspruchnahme der Ulrichskirche auf

    dem Ulrichsplatz zu geben, wird die Möglichkeit einer Abmarkung der äußeren Ecken des Baukörpers für maximal

    sechs Monate eingeräumt. Des Weiteren wird die Bemühung, einen Informationspunkt in unmittelbarer Nähe des

    Standortes aufzustellen begrüßt, soweit er sich in den umgebenden Stadtraum ansprechend einpasst.

 

5. Im weiteren Verfahren soll darüber befunden werden, inwieweit z.B. dem Landesamt für Denkmalpflege und

    Archäologie Sachsen-Anhalts die Möglichkeit eingeräumt werden kann, die noch vorhandenen Fundamente und

    Grüfte des Kirchenbaus freizulegen und damit einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.“

 

 

4. Unmittelbare Folge des Bürgerentscheids

 

 

4.1 Aufhebung des Stadtratsbeschlusses vom 24.06.2010 und der darauf beruhenden Beschlüsse

 

Der Bürgerentscheid hebt obigen Stadtratsbeschluss vom 24.06.2010 auf. Mit aufgehoben werden auch sämtliche

Stadtratsbeschlüsse, die hierauf beruhen. Im Einzelnen ergeben sich folgende Konsequenzen:

 

  1. Die Landeshauptstadt Magdeburg begrüßt nicht das Engagement des Kuratoriums für den Wiederaufbau der

          Ulrichskirche am ursprünglichen Standort.

 

  1. Die Landeshauptstadt verpflichtet sich nicht, für dieses Vorhaben das entsprechende Grundstück bis zum

          31.12.2020 vorzuhalten.

 

  1. Die zeitgerechte Bereitstellung des Grundstücks wird nicht in Aussicht gestellt.

 

  1. Die Möglichkeit zur Abmarkung der äußeren Ecken des Baukörpers wird nicht eingeräumt. Ebenfalls entfällt

          das Recht, einen Informationspunkt in der Nähe des Standortes aufzustellen. 

 

  1. Im weiteren Verfahren soll auch nicht darüber befunden werden, inwieweit dem Landesamt für Denkmalpflege

          und Archäologie Sachsen-Anhalt die Möglichkeit eingeräumt werden kann, die noch vorhandenen Fundamente

          und Grüfte des Kirchenbaus freizulegen und damit einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

 

 

4.2 Grundsätzliche Aussage des Bürgerentscheids

 

Die Fragestellung: „Sind Sie gegen den Wiederaufbau der Ulrichskirche?“ geht über den konkreten Stadtratsbeschluss

hinaus. Es wurde generell gefragt, ob die Magdeburger/innen den Wiederaufbau wollen. Die Bürger/innen haben mit

großer Mehrheit erklärt, dass sie gegen den Wiederaufbau der Ulrichskirche sind. Dies bedeutet, dass sämtliche

Hilfestellungen und Unterstützungen des Wiederaufbaus des Kuratoriums einzustellen sind.

 

 

4.3 Umgehungsverbot

 

Der Bürgerentscheid verbietet Stadtratsbeschlüsse oder Aktivitäten der Verwaltung, die möglicherweise unter einem

anderen Namen doch den Wiederaufbau vorbereiten.

 

Es wurde bereits von Wiederaufbaubefürwortern erklärt, man könne ja nun zunächst einmal die Fundamente

untersuchen. Ein solches Ansinnen ist offensichtlich dahingehend ausgerichtet, den Wiederaufbau – ggf. nach einer

Wartezeit von einem Jahr, so lange die Sperrwirkung des Bürgerentscheids gilt – voranzutreiben. Ein solches

Unterfangen widerspricht damit dem Bürgerentscheid.

 

 

5. Häufig gestellte Fragen

 

 

5.1 Muss der Stadtrat den Bürgerentscheid bestätigen?

 

Der Bürgerentscheid hat die Qualität eines Stadtratsbeschlusses und bedarf gerade nicht der Bestätigung durch

den Stadtrat. Der Entscheid hebt einen Stadtratsbeschluss auf. Es wäre widersinnig, dem Stadtrat die Möglichkeit

einzuräumen, über den Bürgerentscheid zu befinden. Der Bürgerentscheid hat eine unmittelbare Wirkung - wie

eine Wahl.

 

 

5.2 Wie lange gilt der Bürgerentscheid?

 

Der Bürgerentscheid kann innerhalb eines Jahres nur durch einen weiteren Bürgerentscheid aufgehoben werden.

Es steht also dem Kuratorium frei, selbst ein Bürgerbegehren zu initiieren. Nach Ablauf der Sperrfrist könnte der

Stadtrat theoretisch wiederum einen Beschluss fassen, in dem er das Engagement für den Wiederaufbau des

Kuratoriums begrüßt. Der Stadtrat würde dann aber wissentlich gegen die überwältigende Mehrheit der

Bürger/innen handeln. Ein solcher Beschluss wäre legal, würde aber gravierend gegen die demokratische

Grundordnung der Bundesrepublik verstoßen. Nach dieser Grundordnung, Art. 20 Abs. 2, geht alle Staatsgewalt

vom Volke aus. Gewählte Organe, die sich gegen den in einem demokratischen Verfahren gebildeten Willen der

Bürger stellen, würden gegen diesen Grundsatz verstoßen.

 

Es ist davon auszugehen, dass sich dieser Wille der Bürger/innen auch nach einem Jahr nicht geändert hat. Es ist

nicht erkennbar, was innerhalb dieses Jahres eintreten sollte, das zu einer Meinungsänderung führen könnte.

Sämtliche Argumente wurden in einer Intensität, die seinesgleichen sucht, im Wahlkampf ausgetauscht. Eine

große Anzahl der Bürger/innen hat sich auf den jeweiligen Seiten engagiert. In einem Zeitraum von über einem

Jahr wurden fast täglich Leserbriefe zu sämtlichen Themen veröffentlicht. Es gab öffentliche Diskussionen. Es

wurden Experten und Prominente gehört. Das Thema wurde erschöpfend abgearbeitet mit dem Ergebnis, dass

sich über drei Viertel der Bürger/innen gegen den Wiederaufbau entschieden haben. Auch die Qualität und

Intensität der Meinungsfindung ist ein Hindernis für einen gegenteiligen Stadtratsbeschluss. Es ist kaum

anzunehmen, dass einem solchen Stadtratsbeschluss wiederum eine derartige Auseinandersetzung, wie sie bei

dem Bürgerentscheid erfolgte, vorausgeht.

 

 

5.3 Kann das Kuratorium so einfach weitermachen?

 

Das Kuratorium hat zunächst bekundet, den Bürgerentscheid zu respektieren und dann erklärt, weiterzuarbeiten.

Durch den Bürgerentscheid kann einem privaten Verein nicht untersagt werden, seine Tätigkeit aufzugeben. Es ist

jedoch festzustellen, dass das Kuratorium sein Ziel, die Ulrichskirche aufzubauen, nunmehr gegen den in einem

demokratischen Prozess gefassten Willen der Mehrheit der Magdeburger/innen durchsetzen will. In einer

beispiellosen Werbekampagne hat das Kuratorium seinen Standpunkt verdeutlicht und doch nicht nur knapp,

sondern haushoch verloren. Durch dieses Handeln gegen den Bürgerwillen wird den bisher vorgebrachten

Argumenten des Kuratoriums die letzte Glaubwürdigkeit entzogen. Es vertritt nicht mehr ein öffentliches Anliegen,

sondern ein Privatinteresse GEGEN die Öffentlichkeit. Wer eine so genannte Schönheitsoperation durchführen will,

sollte vorher den Patienten fragen. Wenn der Patient der Meinung ist, er bedarf keiner Schönheitsoperation und

der Arzt möchte dies durchsetzen, so kann der Patient wohl zu recht beleidigt sein.

 

 

6. Erste vorläufige Analyse des Wahlergebnisses

 

Nach den von der Stadt Magdeburg veröffentlichten Zahlen zum Abstimmungsverhalten in den Stadtteilen und der

Briefwahl lassen sich erste Schlussfolgerungen ziehen. Der erste Magdeburger Bürgerentscheid dürfte im Übrigen

als einzigartiges Beispiel zum Thema Rekonstruktion und Bürgerwillen geeigneter Stoff für diverse Themen sein.

 

 

6.1 Bisher vorliegende Zahlen

 

Es liegen die Zahlen aus den Wahlbüros der einzelnen Stadtteile vor. 70.259 Bürger haben mit Ja und 21.836 Bürger

mit Nein gestimmt. Das Verhältnis der am 20.03.2011 abgegebenen Stimmen entspricht fast genau dem Verhältnis

der insgesamt abgegebenen Stimmen (76,29 % zu 23,71 %). Zu den in den Wahlbüros abgegebenen Stimmen sind

13.790 Ja-Stimmen und 4.633 Nein-Stimmen, die bei der Briefwahl abgegeben wurden, zu zählen. Auch das Verhältnis

der bei der Briefwahl abgegebenen Stimmen ist logischerweise fast identisch mit dem Verhältnis des

Gesamtergebnisses von 76,05 % zu 23,95 %. Daneben ist auch erkennbar, dass es in den einzelnen Stadtteilen kaum

Abweichungen vom Durchschnittsergebnis gab, vgl. nachfolgende Tabelle (Quelle: Internetseite www.magdeburg.de).

 

 

 

Stadtteil

JA

%

NEIN

%

Alt Olvenstedt

1.536

77,1 %

455

22,9 %

Alte Neustadt

3.008

76,6 %

917

23,4 %

Altstadt

4.284

74,2 %

1.490

25,8 %

Berliner Chaussee

709

76,2 %

222

23,8 %

Beyendorf-Sohlen

446

75,2 %

147

24,8 %

Brückfeld

814

80,9 %

192

19,1 %

Buckau

1.247

74,5 %

426

25,5 %

Cracau

2.564

76,1 %

806

23,9 %

Diesdorf

1.369

78,6 %

372

21,4 %

Fermersleben

821

75,3 %

270

24,7 %

Hopfengarten

1.668

76,2 %

521

23,8 %

Kannenstieg

1.778

75,2 %

585

24,8 %

Leipziger Straße

3.958

75,3 %

1.295

24,7 %

Lemsdorf

659

72,4 %

251

27,6 %

Neu Olvenstedt

2.664

75,7 %

855

24,3 %

Neue Neustadt

3.575

77,2 %

1.054

22,8 %

Neustädter Feld

2.769

77,4 %

809

22,6 %

Neustädter See

3.206

76,5 %

984

23,5 %

Nordwest

1.842

74,0 %

647

26,0 %

Ottersleben

3.818

77,4 %

1.114

22,6 %

Pechau

202

67,8 %

96

32,2 %

Prester

870

78,7 %

235

21,3 %

Randau-Calenberge

195

72,8 %

73

27,2 %

Reform

4.400

76,3 %

1.368

23,7 %

Rothensee

780

72,7 %

293

27,3 %

Salbke

1.212

77,4 %

354

22,6 %

Stadtfeld Ost

8.184

76,9 %

2.462

23,1 %

Stadtfeld West

5.290

77,8 %

1.511

22,2 %

Sudenburg

4.432

75,3 %

1.457

24,7 %

Werder

972

75,4 %

317

24,6 %

Westerhüsen

987

79,3 %

258

20,7 %

 

 

6.2 Vergleich der Stadtteilergebnisse mit politischer Prägung

 

Im Wesentlichen sind keine signifikanten Abweichungen des grundsätzlichen Verhältnisses der Ja- und Nein-Stimmen

in den einzelnen Stadtteilen festzustellen, obwohl teilweise Befürworter des Wiederaufbaus sich örtlich zuordnen

lassen. So trat die CDU-Fraktion unter dem Vorsitz von Herrn Schwenke, der in Ottersleben eine große Zustimmung,

sowohl als Stadtrat, als auch als MdL erhielt, als eindeutiger Befürworter des Wiederaufbaus auf. Dieser Einfluss ist

aber im Wahlergebnis nicht auffindbar. 77,4 % der Ottersleber haben sich gegen den Wiederaufbau ausgesprochen.

 

 

6.3 Einfluss des Wahltermins

 

Die Briefwähler haben grundsätzlich genauso entschieden wie die Wähler in den Wahlbüros. Dies deutet eher darauf

hin, dass der Wahltermin zusammen mit der Landtagswahl keine entscheidende Auswirkung auf das Wahlergebnis hatte.

 

 

6.4 Meinungsbildung

 

 

6.4.1 Umfang und Intensität der Information

 

Der Umstand, dass die Briefwähler, die ihre Stimme vor dem 20.03.2011 abgegeben haben, im gleichen Verhältnis

abgestimmt haben wie die Wähler, die am 20.03.2011 ihre Stimme abgaben, deutet darauf hin, dass die

Überzeugungsbildung jedenfalls nicht entscheidend durch die letzten Aktionen geprägt wurde. Die Briefwähler durften

in der Regel etwa bereits zwei Wochen vorher gewählt haben.

 

In der Schlussphase erfolgte massive Werbung durch die jeweiligen Parteien. Das Kuratorium hat Informationszeitungen

und -broschüren als Briefwurfsendungen vorbereitet. Plakate wurden an Infotafeln veröffentlicht. Halbseitige Anzeigen (Hochzeitsmöglichkeiten, Altstadtgemeinde) wurden in der Woche vor der Abstimmung in der Volksstimme geschaltet.

Eine achtseitige Beilage über die Ulrichskirche erreichte am 05.03.2011 über den Magdeburger Sonntag alle Haushalte.

Am 16.03.2011 wurde in einer Pressekonferenz von der evangelischen Kirche Magdeburg und dem Kuratorium das neue

Buch zur Ulrichskirche von Dr. Köppe vorgestellt. Am 17.03.2011 hielt der Vorsitzende des Kuratoriums einen Vortrag in

der Volkshochschule „Die neue alte Ulrichskirche“. Der Vortrag war der letzte einer Vortragsreihe in der Volkshochschule,

die am 17.02.2011 begann und am 03.03.2011 fortgesetzt wurde. Eine Grillaktion wurde am 19.03.2011 am Ulrichsplatz

veranstaltet. Informationen erfolgten im Infopavillon. Daneben wurde ein Info-Container auf dem Ulrichplatz aufgestellt.

Die Umrisse der Ulrichskirche wurden durch Pflasterung markiert. Zusätzlich wurden Infotafeln an den Ecken der

Ulrichskirche platziert (Infopfad 26.02.2011).

 

Die Wiederaufbaugegner präsentierten Argumente im Infopavillon. Es wurden Flugblätter als Postwurfsendungen verteilt.

 

Parallel wurden fast täglich in der Magdeburger Volksstimme Leserbriefe zu Pro und Contra veröffentlicht. In einer Reihe

„Prominente und ihr Pro und Contra über die Ulrichskirche“ kamen zum Beispiel zu Wort: Alt-OB Willi Polte, Arno

Frommhagen, Uni-Rektor Prof. Pollmann, Jochen P. Heite (Vorsitzender des Verbandes bildender Künstler) u. a.. Die

Argumente von Befürwortern und Gegnern wurden auf einer Doppelseite in der Volksstimme am 18.03.2011

zusammengefasst. Die Argumente der Befürworter fasste der Kuratoriumsvorsitzende Dr. Köppe und die der Gegner

Josef Fassl zusammen.

 

Laufend erfolgten Informationen der Bürger über die Internetseiten der Parteien: www.ulrichskirche.de,

www.buergerentscheid-magdeburg.de, www.buergerentscheid-ulrichskirche.de und www.schumann-magdeburg.de.

 

Nach Eröffnung des Infopavillons am 23.02.2011 wurden Diskussionsrunden jeweils am Samstag von 14.00 bis 16.00 Uhr

für alle Bürger durchgeführt. Infos waren zu finden bei Urbaneit, dem Magdeburger Sonntag, dem Generalanzeiger usw..

Die Stadt berichtete auf ihrer Internetseite www.magdeburg.de. Die einzelnen Parteien informierten jedenfalls über ihre

Internetseiten. Seit 2008 wurde in der örtlichen Zeitung, der Volksstimme, über die Bestrebungen des Kuratoriums sehr

ausführlich berichtet. Leserbriefe hierzu wurden fast täglich veröffentlicht. Ein Diskussionsforum der Volksstimme fand

in der Johanniskirche am 15.11.2010 statt. Nicht alle Interessenten fanden einen Platz, einige Besucher mussten die

Kirche wieder verlassen. Ca. 600 Magdeburger folgten der Diskussion. Eine ausführliche Auswertung fand in den Medien

statt. Beteiligt waren das Kuratorium, die Bürgerinitiative, die evangelische Kirche und die Landeshauptstadt Magdeburg,

diese vertreten durch den Oberbürgermeister, und jeweils einen ehemaligen Beigeordneten. Bereits bei Sammlung der

Unterschriften für das Bürgerbegehren seit August 2010 wurden die Magdeburger/innen verstärkt informiert. Über 16.000 Magdeburger/innen unterschrieben und forderten einen Bürgerentscheid. Daneben unterhielt das Kuratorium einen

Infostand zur Ulrichskirche und warb gegen das Bürgerbegehren. Die Infostände des Kuratoriums wurden auch nach

Abgabe der Unterschriftenlisten am 08.09.2010 weiter unterhalten. Es wurde für den Wiederaufbau geworben. Die

Infostände wurden am Alten Markt, in der Fußgängerzone Goldschmiedebrücke und an anderen belebten Stellen

unterhalten. Die Bürgerinitiative, die das Bürgerbegehren startete, wurde vom Kuratorium von Anfang an als dümmlich,

kulturlos, links-gesteuert und kirchenfeindlich diskreditiert. Das Datum des Bürgerentscheids sollte nach dem Willen des

Kuratoriums vorgezogen werden und nicht mit der Landtagswahl zusammenfallen in der Hoffnung, dass die notwendige

Beteiligung von 25 % nicht erreicht wird.

 

Mit erheblichem Aufwand wurden auf der Internetseite des Kuratoriums großteils aufbaufreundliche Berichte veröffentlicht,

unter dem Anschein einer vollständigen objektiven Berichterstattung. Tatsächlich kam meist nur eine Seite zu Wort. Die

Bürgerinitiative wurde nie direkt gehört. Deutlich wird die einseitige Berichterstattung z. B. bei der Zusammenfassung der

Diskussion in der Johanniskirche. Demagogisch werden die Aufbaugegner kritisiert und herabgewürdigt.

 

Im Ergebnis lässt sich feststellen, dass die Bürger/innen nicht nur ausreichend, sondern bis in Einzelheiten über Pro und

Contra mit einer Intensität und einem Umfang über mehrere Jahre informiert wurden, die kaum zu übertreffen sind.

 

 

6.4.2 Meinungsbildende Faktoren

 

Nicht nur über sämtliche Medien, sondern auch über gesellschaftliche Organisationen wurde massiver Einfluss auf die

Meinungsbildung genommen.

 

 

6.4.2.1 Internet

 

Seit 2008 bestimmte das Kuratorium über das Internet das Meinungsbild. Über die Seite www.ulrichskirche.de wurde

im Sinne des Wiederaufbaus Einfluss genommen. Parallel wurde die Seite www.kuratorium-ulrichskirche.de geschaltet.

Ebenfalls wurden parallel die Seiten www.unsere-herrgotts-kanzlei.de und www.kirchensprenung.de geschaltet. Der

Kreis um das Kuratorium, also Vereinsmitglieder und Sympathisanten, haben auch intensiv Meinungsplattformen wie

Facebook und Twitter besetzt.

 

 

6.4.2.2 Veranstaltungen

 

Das Kuratorium wurde als Verein im Jahr 2007 gegründet und präsentiert sich seitdem regelmäßig bei öffentlichen

Veranstaltungen, wie in Sankt Johannis. Zur Gründungsveranstaltung in Sankt Johannis waren 130 Teilnehmer geladen.

Die Teilnehmerliste mit Persönlichkeiten aus Kirchenkreisen und dem Stadtplanungsamt zeigt die Verankerung in

„wichtigen“ gesellschaftlichen Bereichen. Zu erwähnen ist auch die Präsentation im Rathaus.

 

 

6.4.2.3 Präsentation in den maßgeblichen Zeitungen

 

Die meinungsführende Zeitung, die Magdeburger Volksstimme, stand dem Projekt von Anfang an fördernd gegenüber.

Ungekürzt wurden großflächig die Werbeversprechen des Kuratoriums wiedergegeben. Kritiker, auch Leserbriefschreiber,

hatten es sehr schwer, eine Veröffentlichung zu erreichen. Eine unveränderte Wiedergabe der Meinung war fast nicht

möglich. Auch nach Beginn des Bürgerbegehrens war es ein langwieriger Prozess, als politischer Faktor wahrgenommen

zu werden. Eine offene Berichterstattung auch über das Bürgerbegehren war bei notgedrungener grober Einschätzung

erst seit ca. sechs Monaten, nachdem es sich abzeichnete, dass das Bürgerbegehren Erfolg hat, zu verzeichnen.

Anzeigenblätter wie z.B. das DATES berichteten einseitig zugunsten des Kuratoriums.

 

 

6.4.2.4 Rundfunk/Fernsehen

 

Der MDR berichtete relativ ausführlich über die Wiederaufbaupläne, aber nur am Rande über das Bürgerbegehren. Der

Offene Kanal Magdeburg berichtete eher kuratoriumsfreundlich. Nur der MDF1 verstand das Anliegen der Bürgerinitiative.

 

 

6.4.2.5 Gesellschaftliche Kreise

 

Auf der Internetseite des Kuratoriums findet sich eine Unterstützerliste. Neben Stadträten sind der Fraktionsvorsitzende

der CDU, Wiegbert Schwenke, und der Vorsitzende der Fraktion SPD-Tierschutzpartei-future!, Hans-Dieter Bromberg

sowie der Vorsitzende des Ausschusses für Stadtentwicklung Olaf Czogalla zu finden. Befürworter sind u. a. der

Landesminister für Verkehr, Dr. Karl-Heinz Daehre, der Leiter des Institutes für Arbeitswissenschaft, Prof. Dr. Hermann

Kühnle, der ehemalige Leiter des Stadtplanungsamtes, Dr. Peters und der Präsident der Berliner Humboldt-Universität,

Prof. Dr. Olbertz. Einen großen Einfluss nahmen Kirchenvertreter wie der Probst i. R., Dr. Matthias Sens, oder der

Oberkirchenrat Dr. Christian Frühwald.

 

 

6.4.2.6 Kapitaleinsatz

 

Das Kuratorium sammelte bereits Spenden und dürfte einige zehntausende Euro für Werbemaßnahmen zur Verfügung

gehabt haben. Das Bürgerbegehren setzt sich zusammen aus einzelnen engagierten Bürgern verschiedener politischer

und gesellschaftlicher Stellungen. Ein Spendenaufkommen gab es nicht. Projekte wurden nach Absprache finanziert.

 

Zusammenfassen ist festzustellen, dass in sämtlichen meinungsbildenden Bereichen das Kuratorium besser aufgestellt

war. Das Ergebnis des Bürgerentscheids ist demzufolge umso erstaunlicher.

 

 

6.4.3 Werbekampagne

 

Das Auftreten des Kuratoriums war und ist hoch professionell organisiert. Sämtliche Elemente einer Werbekampagne

sind feststellbar. Auch die Einflussnahme auf die politischen Entscheidungsträger bis hin zum Bundespräsidenten, die

Vernetzung mit wichtigen gesellschaftlichen Organisationen, die Medienpräsenz und die Spendenaquise unterstreichen

das werbetechnisch sehr gute Auftreten.

 

 

6.4.4 Argumentation

 

Die Argumentation des Kuratoriums versucht schöne Bilder zu erzeugen. In der Geschichte werden die positiven Zeiten

ausgeschmückt (Otto der Große, Otto-von-Guericke, Luther, Unseres Herrgotts Kanzlei etc.) Es wird von der „schönsten

Kirche Magdeburgs“ und der „wiedergewonnenen Silhouette“ gesprochen. Besonders auffallend war die

Zusammenfassung der Pro-Argumente am 18.03.2011 in der Volksstimme. Man könnte sagen, es wird auf die

Gefühlsebene gezielt: Der Bürger sitzt am Ulrichplatz und bewundert die Fassade der Ulrichskirche im Sonnenschein.

Eine konkrete Auseinandersetzung mit den Contra-Argumenten wird vermieden. Die Contra-Argumentation hebt neben

den als bekannt vorausgesetzten Argumenten hervor, dass das Kuratorium nur den Wiederaufbau als Lösung anerkennt

und nicht offen ist für einen Ideenwettbewerb.

 

Das Ergebnis des Bürgerentscheids deutet darauf hin, dass die Argumentation des Kuratoriums gerade emotional keinen

Anklang gefunden hat. Grund mag sein, dass die Ulrichskirche in der Erinnerungskultur der Bürger auch nach der Wende

nicht mehr vorhanden war. Die Situation ist grundlegend anders als im viel zitierten Dresden. Tatsächlich, wie bei

Gesprächen mit den Bürgern beim Sammeln der Unterschriften festgestellt wurde, waren viele verärgert. Sie hatten die

Meinung, dass von einem Ortfremden der Stadt und deren Einwohnern etwas aufgezwungen wird, für das es keine

Verwendung gibt.

 

 

7. Reaktionen auf den Bürgerentscheid

 

Wie bereits beschrieben, ist der Bürgerentscheid eindeutig. Eine große Mehrheit der Magdeburg Bürger/innen (76 %)

lehnen den Wiederaufbau ab. Umso erstaunlicher sind teilweise die Reaktionen. Als das Ergebnis des Bürgerentscheids

feststand, verkündete Vorstandsmitglied Ellen Richter: „Wir machen aber weiter.“. In der Volksstimme vom 21.03.2011

steht hierzu: „Sie meint damit die Suchschachtungen nach den Fundamenten und Gewölben. Das rät auch Hans-Dieter

Bromberg, Chef der SPD-Fraktion. Vielleicht wird dann doch die größere Variante daraus, sagt er.“. Tobias Köppe

bedauert den Ausgang. Die Volksstimme berichtet: „Ans Aufgeben einfach so denkt er lange nicht.“. Der Chef der

CDU-Fraktion, Wiegbert Schwenke hält den Bürgerentscheid für einen bedauerlichen Rückschlag: „Es ist aber bedauerlich,

dass nun vorerst die Chance für den Wiederaufbau ungenutzt bleibt. Wir würden es aber ausdrücklich begrüßen, wenn

das ehrenamtliche Engagement in diesem Sinn fortgeführt wird. Hier stehen wir als Partner gern zur Verfügung.“ (Vst.

vom 22.03.2011). Am 24.03.2011 berichtet die Volksstimme, dass das Kuratorium den Wiederaufbau von seiner

aktuellen Tagesordnung nehme. Den Grundgedanken, die Magdeburger Ulrichskirche wieder aufzubauen, geben die

Vereinsmitglieder aber nicht auf. Vorstandsmitglied Sens erklärt. „Wir werden engagiert dafür arbeiten, dass sich die

Sicht der Magdeburger auf das Projekt in den nächsten Jahren ändert.“. Hauptanliegen sei nunmehr die archäologische

Erschließung von 20 Quadratmetern mit Kosten von maximal 10.000,00 €, die das Kuratorium übernehmen will.

Oberbürgermeister Dr. Trümper stellt demgegenüber klar, dass mit dem Bürgerentscheid auch der Beschluss zum

Ausgrabungsbegehren aufgehoben sei. Auch sei die Genehmigung für eine Suchschachtung zurückgenommen worden.

Außerdem erklärte er, dass Suchschachtungen keinen Sinn haben. Man wisse, was dort zu finden sei. Außerdem meinte

er, die Kosten dafür können in die Millionen gehen. Vorsitzender Köppe betont den Wunsch nach der Ausgrabung und

meint, dies sei ein gemeinsamer Nenner mit den Gegnern. Er sieht sich auch nicht außerhalb der demokratischen

Spielregeln mit dem offiziell geäußerten Vorsatz, die Bürgermeinung „in den nächsten Jahren“ für die eigenen Pläne

zu kippen.

 

Demgegenüber ist in den Reaktionen der Leser deutlich die Enttäuschung über einen solchen Umgang mit dem

Bürgerentscheid zu finden. Ein Leser bringt es auf den Punkt: „Sind wir vor dem Entscheid oder sind wir danach?“.

Er stellt klar, dass die Fragestellung eindeutig war und wundert sich über die Reaktion einiger Stadträte.

 

Festzustellen ist, dass der Bürgerentscheid bei den Befürwortern, eingeschlossen der Stadträte, zu keinerlei Änderung

in der Einstellung geführt hat. Der Bürgerentscheid wird nur als Verzögerung angesehen. In der Zwischenzeit könne

man am Ulrichplatz graben und nach einem Jahr wird man dann gegen den erklärten Willen der Bürger/innen den

Wiederaufbau wieder mit einem Stadtratsbeschluss bestätigen. Falls dies geschieht, wäre dies ein Muster, wie

Demokratie in einer Kommune beschädigt werden kann. Stadträte regieren gegen Bürger, die sich in einem

demokratischen Prozess engagiert für ihre Stadt eingebracht haben!

 

Magdeburg, 25.03.2011

 

 

 

Josef Fassl

Mitinitiator des Bürgerbegehrens „Demokratie wagen – Bürger fragen!“

 

 

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